Vorspiel
In jedem Absatz, vielleicht sogar jedem Satz dieses Textes sind frische Weltbilder, ja manchmal ganze Welten verborgen und warten auf dich, als Schätze geborgen zu werden. Dies als Hinweis, falls du merkst, dass du ihm “drüberfliegen” immer wieder “stolperst” (kann man im Fliegen stolpern?). Und als Einladung zu kontemplativen Lesen, um den ganzen Reichtum auszuschöpfen.
Aber jetzt!
Vor einigen Wochen habe ich den Begriff der erlernten Hilflosigkeit erinnert. Seitdem bewegt er sich in mir und reifte diesem Text entgegen. Ich habe “natürlich” auch nachgeschlagen, woher er stammt und wenn du das willst, wirst auch du das tun. Mich interessiert weniger, was ursprünglich damit gemeint ist, sondern mehr, wieso er sich in mir gemeldet hat und welche Früchte er mit sich bringt.
Mein erster Verdacht ist, dass er nicht nur für Menschen mit Erfahrungen früher und nachhaltiger Frustration von Bedeutung ist, sondern dass er das menschliche Leben in der derzeitigen Gesellschaftsformation, nur allzu gut fasst.
Ein Mensch in dieser Kultur lernt nicht nur früh, dass er wenig ausrichten kann, sondern er lernt es immer wieder. Er resigniert auf einer grundlegenden, möglicherweise gar nicht (ganz) bewussten Ebene: nämlich in seinem vollständigen Selbst-Ausdruck. Er — oder sie, selbstverständlich — findet sich damit ab, nur noch Ausschnitte seiner Gesamtheit, und zwar vor allem mutmaßlich akzeptable Ausschnitte seiner Gesamtheit zum Ausdruck zu bringen.
Ist dir das zu deprimierend geschrieben?
(und, wenn du das “du” nicht magst — lies es bitte nicht als “IKEA-du”, sondern als respektvolles “von-Mensch-zu-Mensch-Du”)
Es gibt die schöne, traurige, ermutigende Geschichte von Jorge Bucay über einen Zirkuselefanten. Auch die schlage ich nicht nach, habe sie aber in zahlreichen Workshops mit Schulklassen vorgelesen. Ein Kind fragt, wieso ein mächtiger Elefant nicht ausbricht — ist er doch nur mit einer recht dünnen Kette an einem ebenso recht schmächtigen Holzpflock im Boden “gefangen”. Der Erwachsene antwortet, dass der Elefant, als er noch jung war, wieder und wieder versucht hat, die Kette zu sprengen — damals aber war er nicht dazu in der Lage. Und aus dieser Erfahrung heraus — aus dieser erlernten Hilflosigkeit heraus — versucht er es heute gar nicht mehr. Obwohl er nun die Kraft dafür hätte!
Wenn Hilflosigkeit erlernt ist, kann mensch Hilflosigkeit dann wieder verlernen? Oder ist es so, dass die Ketten doch größer werden und die Pflöcke tiefer im Boden stecken, je älter und stärker “man” wird?
Und ist es nicht so, dass manche Menschen sehr tief in — erlernter oder tatsächlicher? — Hilflosigkeit feststecken, während andere ziemlich unbekümmert und selbstbewusst “machen”?
Oder wird SOWOHL den “Machern und Macherinnen” — und auch den “Resignierten” — ihre Ohnmacht nur nicht spürbar, weil sie gar nicht versuchen, die Ketten zu sprengen, den Rahmen zu verlassen, sondern sich innerhalb dieses Rahmens mehr oder weniger weit bewegen und dabei einreden, sie wären mächtig oder ohnmächtig? (Dazu passend ein Hinweis auf Kristina Hazlers Schreiben zur Matrix)
Du merkst schon, ich wage es hier, einen offenen Text zu schreiben. Ich erkläre dir nicht, wie es (für mich ist), sondern offenbare dir meine Gedankengänge, auch dort, wo sie noch nicht zu einem Ende gekommen sind.
Die nächste Frage: Sind wir gar nicht hilflos? Waren wir vielleicht nie hilflos? Ist es eine Illusion, eine (Selbst-)Täuschung? Aber vermutlich ist das zu grob formuliert. Durch ein Raster von Hilflosigkeit/keine Hilflosigkeit und von Illusion versus Wirklichkeit fällt viel zu viel durch.
Also, neuer Anlauf: Wie ist das Gefühl der Hilflosigkeit entstanden und wie lässt es sich überwinden?
Das führt mich zu dem Gefühl der Ungeschütztheit. In der Welt nicht sicher, nicht zu Hause zu sein. Hier fallen mir Rebeca und Mauricio Wild ein. In einem ihrer reformpädagogischen Bücher beschreibt Rebeca, dass im herkömmlichen Aufwachsen die Schutzschichten, die uns Menschen umgeben, von außen geöffnet werden, anstatt von innen. Man kann sich das wie verschiedene Schichten von energetischen Eierschalen vorstellen. Die Gebärmutter ist nur ein Gefäß, dass wir verlassen, danach sind wir in weitere energetische Gefäße gehüllt, die wir, wenn die Zeit dafür reif ist, von innen aufbrechen. Darauf wird aber meist keine Rücksicht genommen, es werden Entwicklungsschritte verlangt, die zu früh kommen. Deshalb das Gefühl der Ungeschütztheit — und der Hilflosigkeit. Wir sind bloßgestellt, schutzlos, weil die Reifung nicht von innen, sondern der nächste Schritt von außen erzwungen wurde! Aus diese Verletzlichkeit und Verletzung heraus wiederum, so folgere ich, entstehen die Abwehr-, Schutz- und Überlebensmuster, die wir als normal betrachten. Kommunikation, die bei uns üblich ist, ist aber, wenn wir genauer hinschauen, mehr Isolation voneinander, als Verbindung miteinander. Es begegnen sich nicht die Essenzen, sondern die Mauern. Ziemlich kalte Angelegenheit, für Wesen, die soziale Wärme zum Leben brauchen!
Wie es anders gehen kann:
An dieser Stelle ein Hinweis zu einer kostenfreien Online-Veranstaltung zum Thema “befreite Kommunikation” - du bist ganz herzlich eingeladen!
Wie es anders gehen kann beschreibt auch Christl Lieben, die ich vor einigen Jahren für das TAU-Magazin interviewen durfte, in ihrem Buch “Anna: Ganz in der Welt - Man muss nur gehen!”
Es ist selten, dass ich ein Buch finde, in der mich fast jede Zeile so tief im Herzen berührt, dass mir Tränen kommen. Dies ist eines davon.
Wie kann es anders gehen, als sich immer weiter in Schutzschichten einhüllen, die einen gleichzeitig von der Welt isolieren und dadurch verhindern, dass mensch das bekommt, was er und sie zum Wachsen benötigen? Indem wir uns “dennoch”, ungeschützt auf das Leben einlassen. Unsere zarten Fühler nach außen strecken, aber auch unsere starken Wurzeln wieder ausstrecken. Damit es anders geht, also nicht ins Absterben, sondern in die nächste Geburt hinein, müssen wir fühlen, spüren, auch wenn es schmerzt. Zu diesem Schluss komme ich wieder und wieder.
Ich weiß aber auch um die Begrenztheit dieser Ausrichtung. Ich kann das nicht lange machen. Wenn die Spannung zu groß wird, greife ich auf Ablenkung und Schmerzbetäubung zurück. Es ist erfahrungsgemäß nicht sinnvoll, es nur über den Willen zu machen. Unser Organismus will sich gut fühlen, das ist eine Art Grundgesetz. Und wenn es zu lange schmerzt, sucht er nach Vergnügungen.
Hingabe statt Heroismus
Es braucht also nicht nur ein “Aushalten”, nicht (nur) Mut und Tapferkeit oder gar Heroismus, sondern Hinwendung. Hinwendung zu einer Ebene, die uns hält und Geborgenheit schenken kann, auch wenn eine schützende Membran frühzeitig aufgebrochen ist. Und diese Ebene muss außerhalb des “Systems” liegen. Das System ist sowohl die gesellschaftliche Struktur — wie Bildung, Wohnen, Arbeiten, Gesundheit etc. organisiert sind; als auch die psychische Struktur — wie ich mit mir umgehe, was ich als relevant oder irrelevant erachte, woran ich mich orientiere, was ich “systematisch” übersehe. Beide bedingen einander.
Die Ebene, die über diese Systeme hinausreicht, hat viele Namen, vielleicht ist auch der Begriff der Ebene unzutreffend. Um im Bild der sich Schritt für Schritt öffnenden Membranen zu bleiben, kann man sagen, dass es die letzte und erste Membran ist, die die alles fasst und enthält. In der bin ich immer aufgehoben, auch wenn andere Schutzhüllen geborsten sind. Ob wir es Gott oder Selbst nennen oder Kosmos oder Tao oder Liebe oder das “sunder warumbe” von Meister Eckhart — Urgrund und Himmel zugleich, das was immer schon da war und nie begonnen und kein Ende hat. Darauf können wir stets vertrauen. Gleichzeitig kann das ein bloßer Begriff sein, der uns in der Not gar nicht hilft, oder nur wieder eine Flucht darstellt. Hier hilft dann, möglicherweise, die “Poesie des Nichtstuns”!
Denn Hilflosigkeit scheint so lange unüberwindbar, solange wir ein komplexes Problem allein mit den begrenzten Problemlösungskapazitäten des Denkens bewältigen wollen. Hier sind “wir” immer zu klein. Der Verstand kann das Leben nicht fassen. Das ist eine einfache Feststellung, keine Abwertung des Denkens. Ich liebe Denken, aber in der Form des Sinnierens, also eines fühlenden, mit allem verbundenen Denken!
Taucht ein Problem auf, taucht auch eine Vorstellung auf, wie es gelöst werden kann oder muss. Diese Vorstellung fixiert uns. Und in dieser Fixierung nehmen wir uns selbst gefangen. Dies ist ein umgekehrter Zaubertrick — statt Entfesselung die Selbstfesselung.
Ich glaube, dass nun die Zeitqualität da ist, diese Selbstfesselungskünste, die wir so stark entwickelt haben, zu durchschauen. Allerdings, wenn eine Apokalypse da ist, also eine Enthüllung, braucht es immer noch die Bereitschaft, auch hinzusehen. Das bleibt uns nicht erspart.
Ist dir das noch zu unfassbar? Gut, ich könnte sagen, dass es ja gerade darum geht — Leben aus dem Unfassbaren heraus, anstatt aus den fixierten Vorstellungen. Eine neue Form von Sicherheit und Geborgenheit will in dein Leben kommen. (Klingt wie eine Glückskeksformel! Lass es dir schmecken — mundet es? Mir schon.)
Aber, ich streue hier zwei konkrete Hinweise ein, wie dieses Unfassbare erfahren werden kann. Denn das kann es, es ist ja da, und wie! Es passt nur nicht in die engen Vorstellungswelten, in denen wir uns eingerichtet haben. Der Elefant im Raum — der die Kette sprengt, ohne Mühe, sogar ohne großes Aufheben zu machen. Es ist einfach eine natürliche Bewegung, weil er an einen anderen Ort gehen will, wo es besseres Futter gibt, zum Beispiel. Die Konzentration liegt nicht auf dem Sprengen der Ketten, sondern in der einfachen Bewegung des Gehens (Ganz in der Welt - Man muss nur gehen). Wie sich alles schön zusammenfügt!
Die Konzentration liegt nicht auf dem Sprengen der Ketten, sondern in der einfachen Bewegung des Gehens
Hinweis EINS: IM BAUCH DES WALES. Das ist ein Format, in dem wir uns bewusst in die “Schutzmembran” begeben, die uns in dieser Zeit des Wandels zur Verfügung gestellt wurde. Das, was es braucht, wird uns zur Verfügung gestellt. Aber wahrnehmen und annehmen, das ist unsere Aufgabe. Dieses Seminar hilft dabei, sowohl bei der Wahrnehmung, als auch beim Annehmen. Und spielerisch und liebevoll ist es auch noch. Was für ein Geschenk! Das erste Seminar findet am Bodensee statt, auf der österreichischen Seite. Gastgeber ist der Creative Healing Club. Ein zweites ist für Wien in Vorbereitung. Wenn du in deiner Region eines haben möchtest — ich lasse mich gerne einladen. Alles was es dazu braucht sind geeignete Räumlichkeiten und ein Netzwerk an Interessierten.
HINWEIS 2: Im Text bereits angeteasert — eine Online-Veranstaltung zu BEFREITER KOMMUNIKATION. Das ist ein Buch im Werden, eine Co-Kreation mit Stefan Tilg von der Schnabelweide. Es ist kein Rezeptgeber, keine Anleitung, sondern mehr als das: eine Einladung, Befreiung zu wagen, in der dir angemessenen Art und Weise! Und die Veranstaltung ist ein “Kick-off” dazu. Die wahrhaft einmalige Chance bei dem offiziellen Start eines Prozesses zu sein, bei dem du mitwirken und dadurch lernen kannst, was du für deine Befreiung brauchst. Wir werden die Buch-Idee vorstellen und Geschichten teilen zu befreiter und “gefangener” Kommunikation.
Gibt es Berührendes, Inspirierendes, hilfreich Irritierendes in diesem Text? Dann erwäge in deinem Herzen, ob du auf “paid” umsteigen oder mir eine Summe deiner Wahl zukommen lassen magst. Ab 50 € - egal ob über Abo oder Bankkonto - kannst du dir ein Online-SELBST-Gespräch mit mir buchen, mit oder ohne konkretes Anliegen, wenn du magst. Ich freue mich riesig auf dich!
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Auch wenn ich auf Deinen Artikel grad nicht eingehe.
Bin ganz berührt.
Habe dieses Buch "Anna" auf Grund Deiner Beschreibung gelesen.
Es ist SO herzberührend und wohltuend.
DANKE dafür.
"Kommunikation, die bei uns üblich ist, ist aber, wenn wir genauer hinschauen, mehr Isolation voneinander, als Verbindung miteinander." Da hat mir doch der Algorithmus jemanden geschickt, der mich versteht. Danke.