In diesen mittleren September-Tagen werke ich an meinem Gabentisch. Der Herbst ist auch bei geistiger Tätigkeit Erntezeit. Was gesät wurde und gewachsen ist, ist jetzt reif und kann auf den Markt getragen werden. Es ist ein reichhaltig gedeckter Tisch geworden und das erstellen ist stimmig und macht mir Freude. Bis sich DIESE STIMME meldet und immer lauter wird, die alles in Zweifel zieht - Details an Formulierungen ebenso wie das große Ganze, die Idee des virtuellen Gabentisches selbst.
Die Freude läuft aus, im Versuch, die Stimme zu ignorieren oder abzuwehren verwirre ich mich. Ein altbekannter Ablauf, nervtötend und anscheinend unausweichlich. Ein Wunder, dass ich mich jedesmal neu auf meine Ideen einlasse und es nicht von vornherein lasse. Ein Wunder oder ein schlechtes Gedächtnis oder beides?
Zum Glück aber gibt es die “göttlichen Gespräche”, die ich immer wieder mal mit meiner Frau führe. Eine Praxis, in der es zwei Sessel mit zugewiesenen Rollen gibt: Wer auf dem einen sitzt, fragt für das alltägliche ich, wer auf dem anderen Platz genommen hat, antwortet als göttliches Selbst. (Wer das genauer kennenlernen will, kann zum Beispiel auf eine unmögliche Reise mitkommen.)
In diesem Gespräch wurde schnell sonnenklar, dass dieser innere Kritiker im Kern gar keiner ist. Die fundamentalen Selbstzweifel, die diese Stimme auslöst, das vergällen der Freude am kreativen tun und mich zeigen, kann ich nicht verhindern, indem ich diesen “Kritiker” mundtot mache, sondern indem ich aufhöre, mich zu wehren und der Stimme wirklich zuhöre. Dann enthüllt sie sich als hilfreiche Kraft mit ausgezeichneten Vorschlägen.
Ich bin der Astrologie nicht kundig, aber ich kenne Menschen, die es sind. Und die haben mir - soweit ich mich richtig erinnere, aber das ist egal, wichtig ist, was mir geholfen hat! - gezeigt, dass meine Sonne und mein Saturn sehr nah beieinander sind. Wenn ich also leuchten will, kommt sofort eine Kraft, die genau prüft, ob auch alles stimmt. Ja, das kann nervig sein, aber es bewahrt auch vor Höhenflügen ohne Erdung. Diese, meiner Leuchtkraft von Geburt an zur Seite gestellte Instanz, will also keineswegs mein ganzes Wesen in Frage stellen oder meine Kreationen madig machen. Wenn ich diese Projektionen von ihr abziehe, die vermutlich durch meine Sozialisation in eine kopfbetonte, zutiefst misstrauische Gesellschaft entstanden sind, entspinnt sich ein interner Dialog, der zur Verbesserung meiner Kreationen beiträgt, ohne in Perfektionismus oder Selbsthass abzugleiten.
Soweit, so gut.
Aber immer noch irgendwie mühsam, bis sich all diese inneren Stimmen abgesprochen haben und ich herausgefunden habe, welche Recht hat, verliert sich die Spur der Freude und ich erlebe wieder einmal, wie aus einer schönen Idee mühselige Arbeit geworden ist. Anstatt zu ernten und zu feiern, vertieft sich Erschöpfung und Frustration.
Deswegen braucht es den zweiten Schritt! (Vielleicht ist es eher ein Schnitt, auch wenn das sehr drastisch klingt). Ich entbinde mich der Aufgabe, diesen Prozess von einer zur anderen Stimme hüpfend mitvollziehen zu müssen, versuche weder zu moderieren, noch angestrengt zu erlauschen, wer die Wahrheit sagt, wer den Erfolgsweg kennt und zeigt. Anstelle dessen, werde ich zum Raum für das Gespräch - und warte, so entspannt es mir möglich ist, ab, bis eine Einigung erzielt worden ist. (Während ich dem Raum gebe, kann ich zum Beispiel Musik hören, Essen kochen, mit meiner Familie plaudern oder schlafen gehen.) Die Einigungwird mir dann präsentiert, zum Beispiel am nächsten Morgen, zum Beispiel heute.
Und siehe da, die Freude am Tun und Ausprobieren ist zurück, es kommen humorvolle Vorschläge, die mich innerlich schmunzeln lassen. Das werde ich ausprobieren! Und schon bin ich wieder am werken. Ich liebe meine Stimmen! Und wie schön ist es, wenn ich nicht jeder Diskussion beiwohnen muss, wenn ich auch diesen geistigen “Verdauungs- und Ausscheidungs-Prozess”, diese Kristallisationsprozess vertrauensvoll inneren Instanzen übergeben darf! Ein solches alchemistisches Verständnis beruht auf Reinigung (Abzug von Projektionen), Vermischung (Austausch der Stimmen miteinander) und dem Vertrauen, dass diese Prozesse umso klarere Resultate bringen, je ungestörter sie ablaufen dürfen.
Empfehlenswert? Dann sag es doch weiter!