Überforderung
ein evolutionärer Schritt in ein neues Feld
In jüngster Zeit taucht „überall“ – bei meinen Klienten und Kooperationspartnern und bei mir – das Thema Überforderung und Überlastung auf. „Natürlich“ ist das seit längerem ein Dauerbrenner, aber nun ist es in den Fokus geraten als etwas, das verändert, ja gelöst werden könnte!
In einem Coaching mit einem Mann Mitte Vierzig, der selbst Unternehmensberater ist und ins zweite Jahr seiner beruflichen Selbständigkeit kommt, war das Thema „zu viel tun, zu wenig Ruhephasen“ der Ausgangspunkt. Bald kam aber sein Selbstwertgefühl in den Vordergrund. Das kommt fast zwangsläufig für die meisten Menschen im Zuge ihrer Selbständigkeit stark in den Blick: Man befindet sich gefühlt – und durchaus auch real – fast permanent in einer Art Bewerbungssituation und das lässt kaum jemanden kalt.
Nachdem wir die bewusste Anbindung an seine Essenz gestärkt hatten, kam ein weiteres Thema zum Vorschein – jemanden auf diese Weise begleiten hat ja etwas von Zwiebel schälen – und zwar ging es um den Selbstzweifel, der immer wieder dazu führt, „eine neue Runde zu drehen“. In einer Aufstellung ging er einen Schritt aus diesem Muster in ein neues Feld. Hier stellt sich ein anderes Erleben ein: Anstatt sich um sich selbst zu drehen, ist er nun — verbunden mit seiner Essenz — frei zu gestalten, auszuprobieren – und manchmal einfach Ruhe zu geben.
Ein ähnlich gelagertes Problem tauchte bei einem Wohnprojekt auf, das ich seit einigen Jahren begleiten darf, meist in der Form von eineinhalb-tägigen Klausuren, die etwa halbjährlich stattfinden. Die etwa dreißig Menschen fühlten sich wie in einem rasenden Zug, von einer Arbeitsgruppe zur nächsten, von ihren beruflichen Feldern zu Aufgaben in der Gemeinschaft, von Care-Arbeit zu Reperaturen und so weiter. Bald zeigte sich: der Versuch, gemeinsam die Überlastung abzubauen, lässt genau die Muster zu Tage treten, die zur ursprünglichen Überlastung führten! Unterschiedliche Bedürfnisse und Vorstellungen, wie die Strukturen auszusehen haben führen zu Gesprächen, die kein echtes Ergebnis hervorbringen und deswegen ermüden. Die Angst vor und gleichzeitig die Sehnsucht nach jemanden, der führt und weiß, wo es lang geht führt zu Unzufriedenheit und Lähmung – und eben: Überforderung.
Seit langem übe ich, in solch engen Situationen – im Art of Hosting spricht man von „Knirschzonen“ – eine neue emotionale und kulturelle Möglichkeit zu etablieren: Präsent zu bleiben und wahrzunehmen, anstatt das unangenehme Gefühl so schnell wie möglich loswerden zu wollen oder zu vermeiden. In diesem gehaltenen Raum können die Muster erkannt werden, die zu dem Problem geführt haben; es kann erkannt werden, dass diese Muster Halt geben (wollen) – und es kann sich ein neues Muster etablieren oder ein neuer Möglichkeits-Raum! Eine Frau vom Wohnprojekt formulierte es in etwa so: „Ich spaziere in die Überlastung hinein – und bleibe anwesend. Und dann entspannt sich etwas und ich kann einfach sein.“
So zeigt sich entweder eine Lösung, auf die sich alle mühelos einigen können – oder: Das, was „zu viel“ war wird in diesem erweiterten Raum einfach als Lebendigkeit wahrgenommen, ja sogar gefeiert! Und es war ja auch ein unglaublich lebendiger Prozess, mit Kindern und Tieren und Menschen, die nur ein paar Stunden dabei sein können, mit szenischem Spiel, Innenreisen, paradoxen Interventionen, Dialog und Open Space. Ich liebe diese Arbeit und sie überfordert mich selbst regelmäßig und weitet mich dadurch – das liegt in der Natur der Sache! Ich darf erleben, wie sich der Zugang zu einem Feld öffnet, in dem sich neue kulturelle Muster kristallisieren: Weder hierarchische Führung noch „jede*r schaut nur auf sich“.
Ich spaziere in die Überlastung hinein – und bleibe anwesend. Und dann entspannt sich etwas und ich kann einfach sein.
Es zeigt sich hier tatsächlich erlebbar eine höhere Intelligenz, aber diese kommt nicht von außen oder oben, sondern stellt sich ein, wenn „alles“ gefühlt werden darf, ohne dass jemand an als unangenehm erlebten Gefühlen oder Situationen schuld sein muss. Wenn alles da sein darf — ohne das alles besprochen werden MUSS, passiert spürbare Entlastung. Das, was überfordert hat, hat dazu geführt, dass wir über das Bisherige hinausgewachsen sind und nun nur mehr gefordert sind. Gefordert, unser Leben zu leben.
Diese Prozesse zu begleiten, ist – neben Schreiben – mein ganz konkreter Beitrag, meine Gabe für den WELTÜBERGANG: Kulturtransformation dahingehend, wie wir miteinander, mit uns selbst, mit Problemen, mit dem LEBEN umgehen. Es ist ein gemeinsames Lernen und jede*r ist gleichzeitig auf dem ganz eigenen Weg. Alles, was da ist, spielt mit, bis sich eine Richtung zeigt, die etwas qualitativ Neues eröffnet.
Hast du Lust auf beziehungsweise Bedarf nach Begleitung dieser Art deiner Unternehmung, deines Teams oder deiner selbst – mit anpassungsfähiger Struktur, einem gut gehaltenen Raum, viel Erfahrung und Präsenz?



